¡Tijuana no!… ¡Los Angeles tampoco!

Welcome to Tijuana. Tequila, sexo y marijuana. Jaja, klar. Dieses Tijuana. Es gibt dazu doch einiges zu berichten, und irgendwie fällt es mir gerade schwer, mich zu organisieren. Es gibt da politisches, ästhetisches, lustiges, unwirkliches, halt eben wirklich allerlei zu erzählen. Und dann kommt noch dieses Los Angeles dazu, eine Stadt, die es gar nicht gibt, oder eben dermassen gibt, dass gewissermassen die Stadt vor lauter Strassen, Türmen und sonstigen Immöbeln verschwindet. Wir werden sehen, wie wir dem Pot pourri in meinem Kopf Herr werden (oder meinetwegen Mistress, schliesslich ist hier gender und so auch gerade beinahe derart Debatte wie Race).

Nun, zuerst Verkehr (sens propre). Der Gotthard ist Schulbubenzeugs neben dem Grenzübergang zwischen Tijuana und San Ysidro. Ohne Kohl. Wir haben da einen halben Tag zugebracht. Und da waren gewiss 25 Tore (aber nicht alle) offen. Und die Beamten haben nicht gerade gelauert – zugegeben, sie haben auch nicht pressiert. Aber da war schon etwas los. Und da denkt man dann, die Kameraden der rechten Front ims Schweiz sollten sich das mal antun, und dann nochmal überlegen, ob sie das mit der «Personenfreizügigkeit» wirklich so schlimm finden. Wir mussten «nur» über die Grenze, wir hatten schon Visum und Einreiseerlaubnis, Versicherung und so fort. All das, was bei uns mit ID und Autonummer einfach so geht, ist hier ein mittleres Affentheater. Und dann haben wir die ganzen Fussgänger, die ja auch nach USA wollen, noch gar nicht berücksichtigt. Und all die mexikanischen Zopilisten, die diesen Fussgängern hinterherjagen, auch noch nicht. Aber eben. Wenn du an dieser Grenze so in einem ganzen halben Tag abgefertigt bist, hast du noch mal Glück gehabt. Wir sind an einem «lockeren» Vormittag da angekommen – zugegeben, wir hatten ein bisschen Mühe, uns unfall- und konfliktfrei wieder ordnungsgemäss einzureihen, nach dem wir mal falsch angefangen hatten. Aber diese ungeplante Site Seeing Tour hat den Braten auch nicht feister gemacht. Auf jeden Fall sehnt man sich, so nach zweieinhalb Stunden warten, nachdem man bereits die besten Angebote für Renaissance-Marien und Präkolumbianische Ölgötzen ausgeschlagen hat, ein kleinwenig nach Grenzübergang Chiasso, nach der Ruhe in Basel oder dort bei St.Margrethen.

Und dann ist ja in diesem Tijuana noch Tequila, sexo und Marijuana. Mit dieser Mairhuana ist es aber nunmal ein Witz, denn das Zeug ist hier dermassen legal, dass man sich fragt, ob die Menschen in diesem Küstenstreifen jemals klar aus der Wäsche schauen können, Zöllner inbegriffen. Man könnte das also problemlos auch bei uns legalisieren, das scheint zwar einen gewissen Einfluss auf den Anteil Spinner in der Bevölkerung zu haben, aber muss mit Sicherheit das allgemeine Gewaltpotential ziemlich gebremst haben. Denn die spassig bis hässlich zutätowierten Gangster der Grenzgegend schienen nicht sonderlich schiess- oder prügelwütig zu sein. Mit dem Sexo sieht es ebenfalls eher duster aus, also in diesem Tijuana. Nicht, dass es nicht durchaus jede Menge Bordelle diverser Preisklassen hätte, die gibt es, so ungefähr im selben Masse wie Strassen-Taquerias, aber die Spannung dieser Etablissements muss eher unterirdisch sein, denn die Damen der Gegend leiden unter ziemlich gleich schlecht verteiltem Übergewicht wie übertrieben und frei jeglicher Ästhetik aufgetragene Make-ups. Dennoch scheint die Prostitution am Grenzstreifen nicht ganz folgenlos zu bleiben, dies zumindest an den Halbkindern mit Ganzkindern im Arm bettelnden zu urteilen. Was uns indirekt zum Bettel- und Markttreiben an der Autobahn zur Grenze treibt. Wir haben da investiert: In einen Aufkleber, zweimal Kleinkinder beim Jugglen finanzieren und einmal Autoputzen. Nicht ganz freiwillig, der Junge war dermassen begeistert vom «Van aus Scooby Doo», dass wir ihm die Poliererei kaum verbieten konnten. Aber wir hätten auch so nützliche Artikel wie «Puercornio», ein einhörniges Schwein aus Porzellan, oder Bastsandalen in Grösse 32 erstehen können.

Weiter ist zu Tijuana zu sagen, dass es da mehr Menschen gibt, die des Spanischen nicht mächtig sind, als es hier Latinos gibt, die kein Englisch können. Und damit meine ich nicht nur jene, die Chuj, Zapothekisch oder sonstwie Indianisch reden, sondern vor allem jene, die nur Englisch können. Und das ist dann der Abschnitt Tequila, denke ich: Die sind beim Party machen hängen geblieben. Andere sind aus USA, und abgeschoben worden, haben aber, weil sie in USA aufgewachsen sind, kaum Spanisch gelernt.

Was das Business von heute angeht, das ist hochgradig sauber, und legal: Zahnkliniken, Augenkliniken, Finanzkliniken und jede Menge Schönheitschirurgie. Eine Reise nach Tijuana, da gehst du als mittelfetter white trashy Yank hin und kommst als waschbrettbäuchiger Antonio Banderas von 6 Füssen Höhe zurück – oder kommst als weibliche Wabbelkugel in Tijuana an und bist im schlimmsten Fall Eva Longorio (oder so) auf dem Heimweg. Und das ganz noch mit einem netten Kredit.

Und dann geht’s ab, auf die Suche nach diesem L.A. Und wenn der Kuno singt, von Amerika giz nid und so, so kann das besonders auf L.A. zutreffen, denn das ist überall. Und dennoch nirgends. Die Stadt ist überall, ohne Quatsch. Für uns hat sie begonnen, als wir in Huntington Beach die Schönen und Reichen baden sahen. Diese waren aber lediglich die halbschönen und halbreichen, denn die wahrhaft berühmten, so haben wir gelernt, sind dann in Malibu. Santa Barbara und so. Wir haben es mittlerweile bis Santa Monica und Venice geschafft. Hier sind, ein Konzept von Denise, die «campenden Kleinkünstler» angesiedelt. Das sind jene gescheiterten Berühmtheiten, die an den öffentlichen Duschen vom Strand ihrer Hygiene nachgehen, einen Einkaufswagen mit einer Art Haushaltung mit sich herumtragen und dann irgendwas tun. «Kunst» erstreckt sich hier in gegenstandloserweise auch auf Musik, Schauspiel und Komik: Was bei uns häufig schwierig von Abfall zu unterscheiden ist, erstreckt sich hier nicht bloss auf die darstellenden Künste. Es ist manchmal – eigentlich meistens – schwierig zu sagen, ob ein gewisses Individuum nun «darbietet» oder einfach nur spinnt. Aber das mit dem Spinnen ist wegen der allgemeinen Kiffkonsumiererei hier in der Gegend auch ziemlich harmlos, denn es spinnen beinahe alle, vor allem dort in Venice. Aber dort, und das ist riesig an diesem Yankeeland, ist es wieder grossartig sozial: Man kann gratis alles tun, was einen lüstet (ausser andere angrapschen, da sind sie heikel). Es gibt (gratis und für jedermann und -frau) Einrichtungen für Fitness, Krafttraining, Basketball, Rollbrettlen, Fussball, Strand und Surfen, Tennis, Tischtennis, … Und selbst hier wieder gute Bierschenken.

Aber das ist nicht L.A. Das ist Venice. Gestern waren wir in Beverly Hills. Dort spinnen sie anders, da hat es so eine Art «Plastik-Jugendstil-Europa-Miniature». Oder dem Getty seine Anwesen. Der hat Europa gesammelt, ist so ein Erdölgauner. Und das ist jetzt auch alles öffentlich – und riesig. Aber auch das ist nicht L.A. Das ist Bel Air.

Wir wohnen beinahe in Downtown, so nennt man hier das Stadtzentrum. Dort wohnen einige auf den Strassen, ansonsten hat es Türme und Parkhäuser. Mit dem Bus sind wir so in 10 Minuten an der Haltestelle vom hiesigen «Blauen Bähnli». Heisst effektiv so, blue line. Und ist so eine Art Halbzugtram wie das blaue Bähnli. Fährt von Downtown bis nach Long Beach (wo wir auf einem Camping Platz mit Spa übernachtet haben). Die Fahrt dauert etwas länger als mit dem blauen Bähnli nach Worb, so anderthalb Stunden. Und Long Beach ist zwar auch nicht L.A., aber eben nicht weniger als Hollywood, Bel Air oder Santa Monica.

Da kommt mir gerade in den Sinn, dass wir in diesem Dörflein den Björn getroffen haben, das ist der Ehemann von jener deutschen Filmschaffenden, die Bauer ledig sucht macht. Haben wir von einiger Zeit im Sequoya kennen gelernt.

Den Rudolpfan haben wir in Paramount abgegeben. Das ist so 30 Kilometer von hier, mit zwei Bussen und zwei Trams gelangt man dahin. Und dann geht man noch zu Fuss. Auch in jener Gegend reden die meisten Leute Spanisch. Es ist mir übrigens eh irgendwie ein Rätsel, warum die Welt so ein Theater macht wegen der Grenze da zu Mexiko. Ich meine, man kommt beiderseits der Grenze weiter, wenn man mit den Leuten, die da arbeiten, Spanisch redet. Ist sogar so, dass eine 45-Jährige Grossmutter, aus Texas stammend, mit deutsch-irischen Eltern, für ihr Leben in Compton (gerade neben Paramount) Spanisch gelernt hat. Selbst der Walmart ist beiderseits der Grenze eine Institution.

Aber, vielleicht müssen wir doch noch ein Wort über Rassen und Farben und so verlieren. Denn das sticht irgendwie dann doch ins Auge. Auf den Bussen sind wir ständig die bleichsten (gut, auf dem 10Bös sind wir das zuhause auch, aber der Unterschied ist hier doch genereller und im Farbton ausgeprägter). Die ganz schwarzen reden nämlich meist englisch. Und von den Weissen ist irgendwie sehr selten einer auf dem Bus oder dem Tram, sogar in Beverly Hills waren alle auf dem Bus dunkler als wir. Und in diesem Kunstkuchen ist es auch ein Riesenthema. Wir wohnen hier innerhalb einer primär Salvadoranischen Subkultur im koreanischen Subzentrum vom Südwestrand von DTLA. Das tönt jetzt unendlich schubladig, ist es auch, aber das ist hier irgendwie eine Realität. Die Stadtfläche, die in Stunden gemessen so ungefähr 3×3 (Tram, im Bus vielleicht 5×5, im Auto definitiv geografie- und verkehrskenntnisabhängig) ist in verschiedenen Dimensionen aufgeteilt, oder nach Achsen, so wie der ICD10: Sprache. Vermögen. Einkommen. Herkunft. Alter. (So du arbeitest) Branche. Geschlecht. Glück. Ein Beispiel: Portugiesisch – 2’000$ – 450$/Monat – Brasil – 23 – Bootsbau – 87% Mann – 7 von 10 ergibt ungefähr Slauson 13’422 West. Dort ist es nicht gerade nett, aber definitiv auch nicht so doof, man ist in einer knappen Stunde in Marina del Rey, wo man arbeiten kann. Mit 10 von 10 Glück und der rechten Herkunft schafft man es dann nach Bel Air. Oder so.

Heute gehen wir nach Hollywood. Da soll es auch nett sein. Aber das ist auch wieder so anderthalb Stunden Tram und Bus weg. Aber, im Gegensatz zu grossen Teilen von Downtown, kann man da auch Fuss gehen. Fussgänger sind nämlich tendenziell diskriminiert, auf Strassen kann es schon mal ein Dutzend Spuren und kein Trottoir haben. Und als Fussgänger in der Stadt giltst du eher als verrückt, als wenn du im Adamskostüm unter einer Palme einen auf irischen expressive Artist machst. Aber, es hat alles in allem einen gewissen Charme, so wie Kalifornien die Extreme der USA in einem Staat überspitzt, so macht dieses unförmige Wesen «L.A.» das von Kalifornien. So für Touristen ist das definitiv ein Erlebnis.

2 Kommentare

  1. Naja, das Tolle an diesem Venice ist ja gerade, dass da jeder, der will, kann. Für mich ist da nichts von Gentrifizierung zu sehen, wenn du auf dem Strand wohnen kannst, surfen, skaten und spinnen nach Lust und Laune, dann ist das eben das, was wir Freiheit nennen. Dass kaum hundert Meter weiter der Boden und die „Condos“ unerhörte Preise erzielen, macht das Ganze nur noch spannender. Oder, die Nähe zum Geld macht die Hippiespinnereien erst möglich, ohne die teuren Wohnungen der Gegend, wäre auch für die Beach bums der Ort nicht lebenswert.

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